Jüterbog (Sommer 1517)
Da sind ja Bruder Maximilian und Bruder Leonhard wieder!
Was machen die Beiden denn da in der Stadt Jüterbog?
30 Kilometer sind sie von Wittenberg aus dorthin zu Fuß gelaufen.
Jetzt schnorren sie erst mal die Kellnerin in der Schänke an: „Ein kleines Bier für uns arme, gottesfürchtige Mönche, Gott wird es Euch lohnen!“
Widerwillig bringt die Kellnerin ihnen einen Krug: „Ihr solltet euch schämen, anständigen Menschen, die hart arbeiten, das Geld aus der Tasche zu ziehen!“
Noch mehr Bürgerinnen und Bürger aus Wittenberg sind gekommen.
Was wollen die denn alle in Jüterbog?
„Wir sind wegen Johannes Tetzel gekommen. Uns wurde gesagt, er würde heute hier in Jüterbog Ablässe verkaufen,“ erzählt Leonhard Kappe.
„Was ist denn ein Ablass?“ fragt Ulrich.
„Sei still, mein Kind, und höre nachher dem lieben Johannes Tetzel zu!“ ermahnt ihn seine Mutter.
„Es war unser ehrwürdiger Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, der uns diesen Ablass beim Papst in Rom erwirkt hat!“ sagt Teresa.
„Weil er Geld braucht, der gierige Erzbischof. Das ist doch alles Lug und Betrug!“ schimpft die Kellnerin.
„Seht, da kommt er!“ ruft Teresa. Und so ist es tatsächlich.
„Ihr braven Leute, die ihr gekommen seid um meine Predigt zu hören,“ ruft Johannes Tetzel, „ich grüße Euch im Namen unseres Papstes in Rom und im Namen Eures frommen Erzbischofs Albrecht von Mainz und Magdeburg.
Sie haben mich zu Euch gesandt, weil sie um das Heil Eurer unsterblichen Seelen fürchten und Euch ein wahrhaft himmlisches Geschenk machen wollen.
Nie mehr müsst Ihr Euch fürchten vor dem Teufel und den schrecklichen Dämonen der Finsternis.
Denn in seinem unendlichen Erbarmen gewährt Euch der Papst aus dem Gnadenschatz der Kirche einen vollkommenen Ablass.“
„Seht ihr das Wappen seiner Heiligkeit, des Papstes Leos X.?
Er selbst bürgt dafür, dass ihr, wenn ihr diesen Ablass in Händen haltet, trotz eurer zahlreichen Sünden, die ihr begangen habt, direkt und ohne Umwege in die Herrlichkeit des Himmels gelangen werdet.
Lüge, Diebstahl, Raub, sogar Mord – jede Sünde wird euch durch diesen Ablass vergeben!
Und nicht nur das: Dieser Ablass ist so mächtig, dass er auch alle Sünden einschließt, die ihr noch begehen werdet!
Ihr könnt machen, was Ihr wollt!
Die ewige Seligkeit des Himmels ist euch gewiss!“
„Nur eine kleine Bitte richtet der Papst an euch:
Die Kirche des heiligen Peters in Rom liegt fast in Trümmern.
Um sie zum Ruhme des heiligen Apostelfürsten wieder aufzuerbauen, erbittet sich der Papst von euch zwei kleine Silbermünzen.
Nur zwei kleine Silbermünzen und dieser Ablass, die sichere Eintrittskarte in den Himmel, gehört euch!“
„Und, liebe Christenmenschen, denkt auch an eure lieben Verstorbenen, die gerade in diesem Augenblick nie endende Qualen im Fegefeuer erleiden:
Habt Mitleid mit euren Eltern und Eheleuten!
Erwerbt auch in ihrem Namen diesen Ablass und schenkt ihnen das ewige Heil und die himmlische Glückseligkeit, denn:
Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt!“
Was denkst du?
So ein Ablass ist doch ein tolles Angebot, oder?
Die Leute aus Wittenberg sind begeistert:
„Wir können uns von all unseren Sünden freikaufen!“ ruft Teresa.
„Ich kaufe einen für meinen verstorbenen Mann, mein Kind und mich,“ sagt Barbara.
„Ein Ablass ist eine Eintrittskarte in den Himmel, nicht wahr, Mama?“ fragt Ulrich.
„Ganz recht, mein Kind, und jetzt sei still!“
Während Bruder Hieronymus die Ablässe verkauft, spricht Tetzel die Kellnerin persönlich an:
„Und Ihr, gute Frau, wollt nicht auch Ihr Eure Seele vor dem Feuer der Hölle bewahren? So ein Ablass ist wie eine Lebensversicherung, nur für das ewige Leben!“
Die Kellnerin zögert, dann meint sie: „Nun, schaden kann es ja nicht …“
„Gibt es für Mönche keinen Preisnachlass?“ fragt Leonhard und Maximilian ergänzt: „Wir Mönche sündigen doch nicht so viel.“
„Da kann ich nichts machen,“ antwortet Tetzel. „Ich habe Anweisungen von oben.“
„Dann müssen wir wohl tief in die Tasche greifen,“meint Leonhard und Maximilian sagt: „Immerhin haben wir das Bier umsonst bekommen.“
Zurück in Wittenberg (Sommer 1517, am Abend desselben Tages)
Was ist denn da los?
Leonhard und Maximilian streiten sich!
Todmüde sind sie spätabends in Wittenberg angekommen.
Ein Wort hat das andere gegeben und jetzt raufen sie miteinander, direkt vor der Pforte des Klosters.
Martin Luther geht dazwischen und trennt die Beiden:
„Auseinander, ihr Raufbolde!“ ruft er. „Schämt ihr euch nicht? Wer hat angefangen?“
„Er!“ rufen Maximilian und Leonhard gleichzeitig.
Luther seufzt:
„Keiner will es gewesen sein, das ist ja mal was ganz Neues.
Jetzt sagt, dass es euch Leid tut, entschuldigt euch und versprecht, dass ihr in Zukunft friedlich sein wollt.“
Weder Maximilian noch Leonhard tun, was Martin Luther von ihnen verlangt.
Kannst du dir denken, was die Beiden als nächstes tun werden?
Die kommen geradewegs aus Jüterbog …
„Ich muss mich nicht entschuldigen und bei der nächsten Gelegenheit schlag ich ihn zusammen, denn ich habe einen vollkommenen Ablass,“ sagt Leonhard und zieht seinen Ablass aus der Tasche.
„Ich auch!“ sagt Maximilian und zeigt Luther seinen Ablass.
„Um Himmels willen, was bildet sich dieser Johannes Tetzel eigentlich ein?
Was für einen bodenlosen Blödsinn hat euch dieser Schwindler denn erzählt?
Glaubt ihr beiden Esel wirklich, dass man sich Eintrittskarten in den Himmel kaufen kann?
Für diesen Fetzen Papier seid ihr bis nach Jüterbog gelaufen?“ poltert Luther los und zerreißt die Ablässe in kleine Fetzen.
Jetzt ist Martin Luther richtig wütend:
„Ja, Gott vergibt euch eure Sünden tausendmal am Tag, er schenkt euch den Himmel, weil Jesus für euch Holzköpfe am Kreuz gestorben ist und nicht wegen der zwei Silbermünzen, die ihr diesem Betrüger gezahlt habt und jetzt tut, was ich euch gesagt habe, zum Donnerwetter noch einmal!“
„Tut mir leid, Bruder Maximilian,“ sagt Leonhard und Maximilian antwortet:
„Kommt nicht wieder vor, Bruder Leonhard.“ Sie geben sich die Hand.
„Gott vergibt euch eure Sünden durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus. Der Friede sei mit euch,“ sagt Luther. Dann schimpft er noch einmal los:
„Aber dieser Johannes Tetzel kann was erleben, der Ablasshandel muss ein Ende haben!“