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Warum es mehr als eine Kirche gibt - die Geschichte von Martin Luther

Den Himmel gibt es gratis!

Eine Neue im Kloster (1509)

Bevor ich euch weiter die Geschichte von Martin Luther erzähle, möchte ich mit euch einen kleinen Abstecher ins Kloster Nimbschen machen, das natürlich auch im Kurfürstentum Sachsen gelegen ist.

Schwester Ave, Schwester, Elisabeth, Schwester Veronika, Schwester Katharina und Mutter Magdalena

Dort gibt es nämlich eine neue Schwester.

Mutter Magdalena, die Leiterin des Klosters, stellt sie vor:

„Das ist unsere neue Schwester Katharina von Bora. Ihre Eltern haben sie zu uns ins Kloster geschickt. Sie soll hier ein frommes Leben führen und so für sich und ihre Familie Verdienste bei Gott erwerben.“

Das kommt uns doch bekannt vor, oder?

Wieder bestimmen die Eltern, was aus der Tochter werden soll, so wie bei Martin Luther der Vater bestimmte, dass Martin Jura studiert.

So war das damals.

Die Eltern bestimmten, welchen Beruf man ergriff, ob man ins Kloster ging oder nicht, sogar, wen man heiraten durfte!

Die Schwestern im Kloster sticken, lesen fromme Bücher und beten viel.

Katharina erfährt von ihren Mitschwestern: „Brave und schweigsame Mädchen kommen in den Himmel!“

Das klingt logisch, oder?

Aber ist es auch wahr?

Ein überraschendes Geschenk (1511)

Bruder Maximilian und Bruder Leonhard

Auch in Erfurt im Augustinereremitenkloster sind nicht alle Mönche freiwillig im Kloster, zum Beispiel diese beiden hier:

Bruder Maximilian und Bruder Leonhard sind im ganzen Kloster dafür bekannt, dass sie es mit den strengen Regeln nicht so genau nehmen.

Im Hintergrund an der Wand ein sehr beliebtes Motiv im Mittelalter: Das Jüngste Gericht

Hier unterhalten sich die Beiden gerade über den alten Mitbruder Augustinus, der gestern beim Abendgebet eingeschlafen war und dem eine Spinne in seinen offenen Mund gekrabbelt ist.

Sehr lustig!

Ihr Vorgesetzter, Vater Johannes, hat die beiden erwischt und verdonnert sie zum Toilettenputzen.

„Nehmt euch an Beispiel an Bruder Martin, der hält sich immer streng an die Regeln!“, donnert Vater Johannes.

Leonhard entgegnet: „Bruder Martin? Was der tut, das ist doch unmenschlich!“

Maximilian zieht Leonhard schnell weg, bevor es noch mehr Ärger gibt.

Apropos Bruder Martin:

Was ist mit dem eigentlich? Ach, der ist ja auch auf dem Bild! Was macht der denn?

O nein! Obwohl Martin Luther ein vorbildlicher Mönch ist, sein Vorgesetzter hat es ja gerade gesagt, hat er immer noch Angst vor Gott.

Vater Johannes sagt: „Ich mache mir Sorgen um dich, Bruder Martin. Seit sechs Jahren bist du nun bei uns im Kloster. Du wurdest zum Priester geweiht und hast Theologie studiert. Keiner befolgt die Regeln des Klosters so streng wie du!“

Aber Martin schüttelt den Kopf: „Gott ist vollkommen und gerecht. Ich bin ein schlechter Mensch und ein unwürdiger Mönch!“

Vater Johannes sagt: „In Wittenberg hat unser Kurfürst, Friedrich der Weise, eine neue Universität gegründet. Ich schicke dich dorthin, du sollst als Professor dort den Studenten die Bibel erklären.“

Und Vater Johannes gibt Martin Luther eine Bibel: „Nimm und lies, sie gehört dir. Bibeln sind nicht billig, für den Preis bekommt man zwei Ochsen …“

„… oder ein kleines Haus. Schon einmal habe ich so ein teures Buch besessen. Ich habe es verkauft, um meinen Freunden in Erfurt ein Abschiedsfest zu geben, bevor ich ins Kloster gehe. Ob die Bibel ihren Preis wert ist?“ fragt Martin.

Es gibt Menschen auf der Welt, die haben die ganze Bibel tatsächlich durchgelesen, aber ich glaube, es gibt nur einen einzigen Menschen auf der Welt, der (ab diesem Moment) die ganze Bibel jedes Jahr zweimal komplett durchlas.

Dieser Mann war Martin Luther.

Denn er erkannte beim Lesen der Bibel: Dieses Buch ist seinen Preis wert.

Luther erklärt die Bibel (Wintersemester 1515/1516)

Florian und Sigismund

Da sind zwei ja ganz fleißig und das auch noch um sieben Uhr morgens! Tja, so ist das an der Universität in Wittenberg, wo diese beiden, Florian und Sigismund, Theologie studieren. Unterricht an der Uni nennt man „Vorlesung“ und diese zwei sind in der Vorlesung „über den Brief des Apostels Paulus an die christliche Gemeinde in Rom“. Das klingt langweilig, ist es aber nicht, finden die Beiden, weil der Professor einen echt tollen Unterricht macht. Und wer ist der Professor?

Martin Luther!

Der stellt den Studenten gerade so eine typische Lehrerfrage:

„Wie kann man vor Gott Gnade finden und in den Himmel gelangen?“

„Gutes tun!“ antwortet Florian und Sigismund ergänzt: „Gott rechnet nach unserem Tod beim jüngsten Gericht mit uns ab!“

Natürlich waren da mehr Studenten in der Vorlesung, aber wir mussten das auf unserer kleinen bühne im Franziskussaal inszenieren

Luther gibt Florian die Bibel: „Lies mal nach, was Paulus an die christliche Gemeinde in Rom schreibt!“

Florian liest aus der Bibel vor: „Ira dei de coelo …“

„Jaja, das ist Latein, aber du kannst das doch übersetzen, oder?“ fragt Luther.

Florian übersetzt: „Der Zorn Gottes wird vom Himmel her offenbart wider alle Ungerechtigkeit der Menschen. Die Menschen sind voller Schlechtigkeit, Habgier und Bosheit, Neid und Streit. Wer so handelt, verdient den Tod. Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.“

„Wir kommen alle in die Hölle“, fasst Sigismund zusammen und Florian hat keine Lust mehr weiterzulesen.

„Mir ging es genauso,“ tröstet ihn Luther, „Ich war beinahe versucht, Gott zu hassen. Aber dann habe ich weitergelesen.“

Also liest Florian: „Gratis per gratiam in Iesu Christo …“

„Hast du gerade `gratis‘ gesagt? Das heißt doch `kostenlos, umsonst‘!“ unterbricht ihn Sigismund.

„Florian, übersetzen!“, mahnt Martin Luther.

„Ohne es verdient zu haben werden wir Menschen gerecht, dank der Gnade Gottes, durch die Erlösung in Jesus Christus. Gott macht den gerecht, der an Jesus glaubt. Der aus Glauben Gerechte wird leben,“ übersetzt Florian aus der Bibel.

„Ich glaube, ich habe es verstanden,“ sagt Sigismund.

„Paulus will uns sagen: Wir müssen uns die Liebe Gottes und den Himmel nicht durch gute Taten verdienen. Gott schenkt uns den Himmel, gratis! Wir müssen nur an Jesus glauben!“

Luther ist begeistert: „Du hast verstanden, was uns die Bibel sagen will. Jesus ist für uns Sünder gestorben und hat uns erlöst. Wir müssen keine Angst vor Gott haben!“

Florian hat Bedenken: „Die Pfarrer sagen etwas anderes …“

… aber Luther sagt: „Lasst euch nicht in die Irre führen. Lest die Bibel. In ihr steht die Wahrheit: Jesus hat uns erlöst und Gott schenkt uns den Himmel. Die Bibel hat mein Leben verändert. Sie hat mich frei und glücklich gemacht.“

Die erste Seite der Mitschrift von Sigismund Reichenbach. Die große Schrift ist gedruckt und der Text des Römerbriefes aus der Bibel, außen rum hat Sigismund mit geschrieben, was Luther sagte. Foto aus wikipedia commons

Für alle, die es genau wissen wollen: Natürlich war alles viel komplizierter. Und mit viel mehr Latein. Die Vorlesung, zum Beispiel, fand komplett auf Latein statt.

Aber hier ein kleines Detail am Rande: Einen Studenten mit dem Namen Sigismund Reichenbach gab es wirklich. Er besuchte die Vorlesung über den Römerbrief bei Martin Luther und schrieb fleißig mit. Seine Mitschrift dieser Vorlesung gehört heute zum Weltkulturerbe der Unesco.

Es würde mich freuen, wenn eines eurer Schulhefte in 500 Jahren auch zum Kulturerbe der Vereinten Galaxie gehören könnte.