Die Bilder stammen vom Kibiwe 2016 und wurden von Gabi Neubauer aufgenommen.
Vielen Dank!
Ein Fest im Hause Luther
(Sommer 1505)
In dem kleinen Städtchen Mansfeld im Kurfürstentum Sachsen deckt Frau Margarete Luther den Tisch in der guten Stube.
Es gibt ein großes Fest zu feiern!
Auch Johann Luther ist stolz und glücklich.
Er hat sich von einem einfachen und armen Bauernjungen mit viel Fleiß und Sparsamkeit hochgearbeitet.
Heute besitzt er vier Kupferminen und ist ein angesehener Bürger in der Stadt Mansfeld.
Seine Söhne sollen es einmal besser haben:
Sein Sohn Hans wird eines Tages seinen Platz einnehmen.
Für seinen Sohn Martin hat er andere Pläne:
Den hat er schon als kleinen Jungen auf die Lateinschule in Mansfeld geschickt, damit er dort eben Latein lernt, die Sprache der Gelehrten, dann auf die Schulen nach Magdeburg und Eisenach und zu guter Letzt auf die Universität nach Erfurt.
Jetzt kommen die Nachbarn.
Der Vater hat sie eingeladen, damit sie sehen, wie weit er es gebracht hat.
Der Vater hält eine Rede:
„Heute ist ein großer Tag für unsere Familie, denn Martin, mein lieber Sohn, hat vor wenigen Wochen die Prüfungen an der Universität in Erfurt mit allen Ehren bestanden und darf sich jetzt Magister Artium nennen.“
Peter, der Sohn der Nachbarn, fragt: „Was ist das?“ und Hans erklärt es ihm:
„Das ist ein gelehrter Mann, der fließend Latein spricht, in der Redekunst, der Mathematik und der Philosophie bewandert ist und den Lauf der Sterne kennt.“
„Da werden sich die Mädchen in Mansfeld wohl nach Eurem Martin umschauen,“ sagt der Nachbar.
Aber der Vater antwortet:
„Unser kleines Mansfeld ist für meinen Martin nicht mehr gut genug.
Es ist mein Wunsch und Wille, dass er in Erfurt Jura studiert und eines Tages Berater unseres Kurfürsten wird und so unserer Familie und natürlich auch unserem Städtchen Mansfeld zu Einfluss und Reichtum verhilft.“
Der Vater hat ein Geschenk für Martin: Es ist ein Buch, dass Martin für sein Studium brauchen wird.
Das Buch war nicht billig: Es ist so wertvoll wie zwei Ochsen oder ein kleines Haus.
„Wie kann ein Buch so teuer sein?“ fragt Hans.
Martin erklärt: „Früher waren Bücher noch unbezahlbar teuer, denn man musste sie mit der Hand schreiben.
Seit 50 Jahren gibt es den Buchdruck und Bücher werden gedruckt, aber sie sind immer noch sehr wertvoll.
Ich danke Euch, Vater.“
Der Vater sagt: „Lasst uns die Becher erheben auf eine glänzende Zukunft für dich, Martin, unsere Familie und auch unser kleines Mansfeld!“
Auf dem Weg von Mansfeld nach Erfurt
(2. Juli 1505)
Martin macht sich auf den Weg zurück nach Erfurt.
Peter und Hans verabschieden ihn.
Hans fragt Martin: „Warum bist du so griesgrämig? Das ist mir schon beim Fest aufgefallen!“
Martin antwortet: „Hast du keine Angst, Angst vor dem Tod?
Ich habe Angst davor, nach dem Tod vor Jesus Christus zu stehen, der ein strenger Richter ist.
Er wird mich wegen meiner Sünden verdammen. Ich habe Angst in die Hölle zu kommen.“
(Vielleicht wunderst du dich, dass Martin vor Jesus, der Hölle und natürlich auch Gott so viel Angst hatte, aber alle Menschen lebten damals mit dieser Angst.
Die Pfarrer erzählten den Menschen in ihren Predigten viel über die Hölle, die Bischöfe taten es und der Papst auch.
Die Pfarrer, die Bischöfe und der Papst glaubten das auch selbst, das darf man nicht vergessen.)
„Ich bete jeden Tag und mache jedes Jahr zu Fuß eine Wallfahrt,“ entgegnet Hans.
„Und ich habe ein heiliges Amulett mit einem Haar der heiligen Anna,“ erwidert Peter.
„Gott ist streng, unbestechlich und gerecht,“ sagt Martin.
„Eines Tages werde ich vor unserem Herrn Jesus Christus stehen und er wird Rechenschaft von mir fordern. Davor fürchte ich mich mehr als vor allem anderen auf der Welt.“
Dann macht Martin sich auf den Weg.
Er geht wie immer zu Fuß (von Mansfeld nach Erfurt sind es übrigens über 80 Kilometer), da gerät er in ein Gewitter.
Ein Blitz schlägt direkt neben ihm ein.
Martin hat Todesangst und er ruft:
„Ich will mein Leben ändern und es Gott weihen! Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!“
Und so geschah es.
Martin brach sein Studium ab und trat in ein strenges Kloster in Erfurt ein.
Kann man erkennen, was da auf dem Bild zu sehen ist?
Genau, es ist ein Klassensatz Grundschulbibeln.
Bibeln gibt es in vielen verschiedenen Ausgaben, hier eine Auswahl:
Die Bibel einmal ganz durchgelesen, das haben die wenigsten Leute.
Tatsächlich ist die Bibel ein sehr dickes Buch und viele finden es anstrengend, die Bibel ganz durchzulesen.
Zurzeit von Martin Luther haben die Leute auch nicht die Bibel gelesen.
Das hatte aber andere Gründe.
Findest du wenigstens das Wort „Jesus“?
Kannst du diesen Text verstehen?
Nein?
Aber so ging es den Menschen zur Zeit Luthers:
Sie konnten die Bibel nicht verstehen, weil es die Bibel damals nur auf Latein gab.
(Es gab sie auch im hebräischen Original – AT – und im griechischen Original – NT -, aber das war jetzt auch nicht besser).
Lange Zeit schien das niemand aufzufallen.
Das Meiste, was damals geschrieben wurde, das wurde auf Latein geschrieben, das Wenigste auf Deutsch.
Latein war die Sprache der Gelehrten und Gebildeten.
Es gab damals viele Menschen, die Latein schreiben und sogar fließend sprechen konnten!
Latein war die Sprache in der Kirche: Fast alles, was im Gottesdienst gesagt wurde, geschah auf Latein.
Aber die einfachen Leute verstanden weder das, was in der Bibel stand, noch das, was im Gottesdienst gesagt wurde.
Ein zweiter Grund, warum die meisten Menschen damals die Bibel nicht lesen konnten:
Sie konnten gar nicht lesen und schreiben.
So etwas wie eine allgemeine Schulpflicht gab es nämlich nicht.
Bücher waren sowieso lange Zeit etwas sehr Seltenes.
Alles wurde mit der Hand geschrieben, sogar Bücher.
Um eine Bibel abzuschreiben, brauchte ein Schreiber (das war im Mittelalter ein Beruf) ungefähr ein halbes Jahr.
Aber plötzlich gab es mehr Bücher und einen Grund, lesen und schreiben zu lernen …
Johannes Gutenberg
Eine Druckerpresse
Bibel
Bibel
Eines der ersten Bücher, das Gutenberg mit seiner phantastischen Druckerpresse druckte, war die Bibel. Natürlich siehst du hier keine der echten Bibeln, die Gutenberg damals druckte. Die waren damals schon richtig teuer und heute sind sie unbezahlbar wertvoll. Aber wir haben einen Nachdruck im Bücherregal.
… Johannes Gutenberg hatte 1450 die Druckerpresse erfunden und Bücher mussten nicht mehr mit der Hand abgeschrieben werden.
Plötzlich gab es viel mehr Bücher!
Trotzdem:
Bücher waren noch immer sehr teuer und meistenteils immer noch auf Latein.
Ich vermute, es gibt kein Bild von Neufahrn aus der Zeit Luthers, aber ungefähr so darfst du es dir vorstellen
Stell dir vor, du hättest vor 500 Jahren in Neufahrn gelebt:
In der kleinen Dorfkirche gibt es gerade mal ein Buch, das man für den Gottesdienst braucht, und in dem einige wenige biblische Texte, natürlich auf Latein, zu finden sind.
Sonst gibt es kein einziges Buch in Neufahrn.
Auch der Dorfpfarrer kann gerade mal lesen und Buchstaben entziffern.
Latein kann er aber nicht und er versteht nicht, was er da liest.
Na so was! In der Mintrachinger Kirche findet man ein Bild des heiligen Hieronymus. Und was für ein Buch er in der Hand hält und schreibt das ist ja wohl klar, oder? Es ist die …
Dabei hatte er es so gut gemeint!
Schon einmal, über 1000 Jahre vor Luther, war Folgendes passiert:
Die Menschen im Westen des römischen Reiches verstanden kein Griechisch mehr.
Das Neue Testament war aber in Griechisch geschrieben und vom Alten Testament, das ja ursprünglich in Hebräisch verfasst wurde, gab es auch nur eine griechische Übersetzung!
… Vulgata, die Bibel ins Lateinische übersetzt für die einfachen Leute seiner Zeit.
Da handelte der heilige Hieronymus entschlossen:
In Betlehem, am Geburtsort Jesu, übersetzte Hieronymus die Bibel in ein einfaches Latein, wie es in den Straßen Roms und Italiens gesprochen wurde.
Er nannte sein Werk „Vulgata“: Volksbibel.
So konnten die Menschen damals das Wort Gottes lesen und verstehen.
1000 Jahre vergingen und die schöne Bibelübersetzung des Hieronymus aus dem Griechischen in das Lateinische verstanden nur noch die Gelehrten.
Wer würde es sich zutrauen, die Bibel neu zu übersetzen, in die Sprache der Menschen auf der Straße?
Die Zeit war reif …
Was denkst du: Wie lange braucht man, um die ganze Bibel einmal durchzulesen?
Bevor ich euch weiter die Geschichte von Martin Luther erzähle, möchte ich mit euch einen kleinen Abstecher ins Kloster Nimbschen machen, das natürlich auch im Kurfürstentum Sachsen gelegen ist.
Schwester Ave, Schwester, Elisabeth, Schwester Veronika, Schwester Katharina und Mutter Magdalena
Dort gibt es nämlich eine neue Schwester.
Mutter Magdalena, die Leiterin des Klosters, stellt sie vor:
„Das ist unsere neue Schwester Katharina von Bora. Ihre Eltern haben sie zu uns ins Kloster geschickt. Sie soll hier ein frommes Leben führen und so für sich und ihre Familie Verdienste bei Gott erwerben.“
Das kommt uns doch bekannt vor, oder?
Wieder bestimmen die Eltern, was aus der Tochter werden soll, so wie bei Martin Luther der Vater bestimmte, dass Martin Jura studiert.
So war das damals.
Die Eltern bestimmten, welchen Beruf man ergriff, ob man ins Kloster ging oder nicht, sogar, wen man heiraten durfte!
Die Schwestern im Kloster sticken, lesen fromme Bücher und beten viel.
Katharina erfährt von ihren Mitschwestern: „Brave und schweigsame Mädchen kommen in den Himmel!“
Das klingt logisch, oder?
Aber ist es auch wahr?
Ein überraschendes Geschenk (1511)
Bruder Maximilian und Bruder Leonhard
Auch in Erfurt im Augustinereremitenkloster sind nicht alle Mönche freiwillig im Kloster, zum Beispiel diese beiden hier:
Bruder Maximilian und Bruder Leonhard sind im ganzen Kloster dafür bekannt, dass sie es mit den strengen Regeln nicht so genau nehmen.
Im Hintergrund an der Wand ein sehr beliebtes Motiv im Mittelalter: Das Jüngste Gericht
Hier unterhalten sich die Beiden gerade über den alten Mitbruder Augustinus, der gestern beim Abendgebet eingeschlafen war und dem eine Spinne in seinen offenen Mund gekrabbelt ist.
Sehr lustig!
Ihr Vorgesetzter, Vater Johannes, hat die beiden erwischt und verdonnert sie zum Toilettenputzen.
„Nehmt euch an Beispiel an Bruder Martin, der hält sich immer streng an die Regeln!“, donnert Vater Johannes.
Leonhard entgegnet: „Bruder Martin? Was der tut, das ist doch unmenschlich!“
Maximilian zieht Leonhard schnell weg, bevor es noch mehr Ärger gibt.
Apropos Bruder Martin:
Was ist mit dem eigentlich? Ach, der ist ja auch auf dem Bild! Was macht der denn?
O nein! Obwohl Martin Luther ein vorbildlicher Mönch ist, sein Vorgesetzter hat es ja gerade gesagt, hat er immer noch Angst vor Gott.
Vater Johannes sagt: „Ich mache mir Sorgen um dich, Bruder Martin. Seit sechs Jahren bist du nun bei uns im Kloster. Du wurdest zum Priester geweiht und hast Theologie studiert. Keiner befolgt die Regeln des Klosters so streng wie du!“
Aber Martin schüttelt den Kopf: „Gott ist vollkommen und gerecht. Ich bin ein schlechter Mensch und ein unwürdiger Mönch!“
Vater Johannes sagt: „In Wittenberg hat unser Kurfürst, Friedrich der Weise, eine neue Universität gegründet. Ich schicke dich dorthin, du sollst als Professor dort den Studenten die Bibel erklären.“
Und Vater Johannes gibt Martin Luther eine Bibel: „Nimm und lies, sie gehört dir. Bibeln sind nicht billig, für den Preis bekommt man zwei Ochsen …“
„… oder ein kleines Haus. Schon einmal habe ich so ein teures Buch besessen. Ich habe es verkauft, um meinen Freunden in Erfurt ein Abschiedsfest zu geben, bevor ich ins Kloster gehe. Ob die Bibel ihren Preis wert ist?“ fragt Martin.
Es gibt Menschen auf der Welt, die haben die ganze Bibel tatsächlich durchgelesen, aber ich glaube, es gibt nur einen einzigen Menschen auf der Welt, der (ab diesem Moment) die ganze Bibel jedes Jahr zweimal komplett durchlas.
Dieser Mann war Martin Luther.
Denn er erkannte beim Lesen der Bibel: Dieses Buch ist seinen Preis wert.
Luther erklärt die Bibel (Wintersemester 1515/1516)
Florian und Sigismund
Da sind zwei ja ganz fleißig und das auch noch um sieben Uhr morgens! Tja, so ist das an der Universität in Wittenberg, wo diese beiden, Florian und Sigismund, Theologie studieren. Unterricht an der Uni nennt man „Vorlesung“ und diese zwei sind in der Vorlesung „über den Brief des Apostels Paulus an die christliche Gemeinde in Rom“. Das klingt langweilig, ist es aber nicht, finden die Beiden, weil der Professor einen echt tollen Unterricht macht. Und wer ist der Professor?
Martin Luther!
Der stellt den Studenten gerade so eine typische Lehrerfrage:
„Wie kann man vor Gott Gnade finden und in den Himmel gelangen?“
„Gutes tun!“ antwortet Florian und Sigismund ergänzt: „Gott rechnet nach unserem Tod beim jüngsten Gericht mit uns ab!“
Natürlich waren da mehr Studenten in der Vorlesung, aber wir mussten das auf unserer kleinen bühne im Franziskussaal inszenieren
Luther gibt Florian die Bibel: „Lies mal nach, was Paulus an die christliche Gemeinde in Rom schreibt!“
Florian liest aus der Bibel vor: „Ira dei de coelo …“
„Jaja, das ist Latein, aber du kannst das doch übersetzen, oder?“ fragt Luther.
Florian übersetzt: „Der Zorn Gottes wird vom Himmel her offenbart wider alle Ungerechtigkeit der Menschen. Die Menschen sind voller Schlechtigkeit, Habgier und Bosheit, Neid und Streit. Wer so handelt, verdient den Tod. Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.“
„Wir kommen alle in die Hölle“, fasst Sigismund zusammen und Florian hat keine Lust mehr weiterzulesen.
„Mir ging es genauso,“ tröstet ihn Luther, „Ich war beinahe versucht, Gott zu hassen. Aber dann habe ich weitergelesen.“
Also liest Florian: „Gratis per gratiam in Iesu Christo …“
„Hast du gerade `gratis‘ gesagt? Das heißt doch `kostenlos, umsonst‘!“ unterbricht ihn Sigismund.
„Florian, übersetzen!“, mahnt Martin Luther.
„Ohne es verdient zu haben werden wir Menschen gerecht, dank der Gnade Gottes, durch die Erlösung in Jesus Christus. Gott macht den gerecht, der an Jesus glaubt. Der aus Glauben Gerechte wird leben,“ übersetzt Florian aus der Bibel.
„Ich glaube, ich habe es verstanden,“ sagt Sigismund.
„Paulus will uns sagen: Wir müssen uns die Liebe Gottes und den Himmel nicht durch gute Taten verdienen. Gott schenkt uns den Himmel, gratis! Wir müssen nur an Jesus glauben!“
Luther ist begeistert: „Du hast verstanden, was uns die Bibel sagen will. Jesus ist für uns Sünder gestorben und hat uns erlöst. Wir müssen keine Angst vor Gott haben!“
Florian hat Bedenken: „Die Pfarrer sagen etwas anderes …“
… aber Luther sagt: „Lasst euch nicht in die Irre führen. Lest die Bibel. In ihr steht die Wahrheit: Jesus hat uns erlöst und Gott schenkt uns den Himmel. Die Bibel hat mein Leben verändert. Sie hat mich frei und glücklich gemacht.“
Die erste Seite der Mitschrift von Sigismund Reichenbach. Die große Schrift ist gedruckt und der Text des Römerbriefes aus der Bibel, außen rum hat Sigismund mit geschrieben, was Luther sagte. Foto aus wikipedia commons
Für alle, die es genau wissen wollen: Natürlich war alles viel komplizierter. Und mit viel mehr Latein. Die Vorlesung, zum Beispiel, fand komplett auf Latein statt.
Aber hier ein kleines Detail am Rande: Einen Studenten mit dem Namen Sigismund Reichenbach gab es wirklich. Er besuchte die Vorlesung über den Römerbrief bei Martin Luther und schrieb fleißig mit. Seine Mitschrift dieser Vorlesung gehört heute zum Weltkulturerbe der Unesco.
Es würde mich freuen, wenn eines eurer Schulhefte in 500 Jahren auch zum Kulturerbe der Vereinten Galaxie gehören könnte.
Da sind ja Bruder Maximilian und Bruder Leonhard wieder!
Was machen die Beiden denn da in der Stadt Jüterbog?
30 Kilometer sind sie von Wittenberg aus dorthin zu Fuß gelaufen.
Jetzt schnorren sie erst mal die Kellnerin in der Schänke an: „Ein kleines Bier für uns arme, gottesfürchtige Mönche, Gott wird es Euch lohnen!“
Widerwillig bringt die Kellnerin ihnen einen Krug: „Ihr solltet euch schämen, anständigen Menschen, die hart arbeiten, das Geld aus der Tasche zu ziehen!“
Noch mehr Bürgerinnen und Bürger aus Wittenberg sind gekommen.
Was wollen die denn alle in Jüterbog?
„Wir sind wegen Johannes Tetzel gekommen. Uns wurde gesagt, er würde heute hier in Jüterbog Ablässe verkaufen,“ erzählt Leonhard Kappe.
Barbara, Teresa, Ulrich, Leonhard Kappe, Bruder Leonhard, Bruder Maximilian und die Kellnerin
„Was ist denn ein Ablass?“ fragt Ulrich.
„Sei still, mein Kind, und höre nachher dem lieben Johannes Tetzel zu!“ ermahnt ihn seine Mutter.
„Es war unser ehrwürdiger Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, der uns diesen Ablass beim Papst in Rom erwirkt hat!“ sagt Teresa.
„Weil er Geld braucht, der gierige Erzbischof. Das ist doch alles Lug und Betrug!“ schimpft die Kellnerin.
„Seht, da kommt er!“ ruft Teresa. Und so ist es tatsächlich.
Bruder Hieronymus (nicht der, der die Bibel ins Lateinische übersetzt hat!), Johannes Tetzel
„Ihr braven Leute, die ihr gekommen seid um meine Predigt zu hören,“ ruft Johannes Tetzel, „ich grüße Euch im Namen unseres Papstes in Rom und im Namen Eures frommen Erzbischofs Albrecht von Mainz und Magdeburg.
Sie haben mich zu Euch gesandt, weil sie um das Heil Eurer unsterblichen Seelen fürchten und Euch ein wahrhaft himmlisches Geschenk machen wollen.
Nie mehr müsst Ihr Euch fürchten vor dem Teufel und den schrecklichen Dämonen der Finsternis.
Denn in seinem unendlichen Erbarmen gewährt Euch der Papst aus dem Gnadenschatz der Kirche einen vollkommenen Ablass.“
„Seht ihr das Wappen seiner Heiligkeit, des Papstes Leos X.?
Er selbst bürgt dafür, dass ihr, wenn ihr diesen Ablass in Händen haltet, trotz eurer zahlreichen Sünden, die ihr begangen habt, direkt und ohne Umwege in die Herrlichkeit des Himmels gelangen werdet.
Lüge, Diebstahl, Raub, sogar Mord – jede Sünde wird euch durch diesen Ablass vergeben!
Und nicht nur das: Dieser Ablass ist so mächtig, dass er auch alle Sünden einschließt, die ihr noch begehen werdet!
Ihr könnt machen, was Ihr wollt!
Die ewige Seligkeit des Himmels ist euch gewiss!“
„Nur eine kleine Bitte richtet der Papst an euch:
Die Kirche des heiligen Peters in Rom liegt fast in Trümmern.
Um sie zum Ruhme des heiligen Apostelfürsten wieder aufzuerbauen, erbittet sich der Papst von euch zwei kleine Silbermünzen.
Nur zwei kleine Silbermünzen und dieser Ablass, die sichere Eintrittskarte in den Himmel, gehört euch!“
„Und, liebe Christenmenschen, denkt auch an eure lieben Verstorbenen, die gerade in diesem Augenblick nie endende Qualen im Fegefeuer erleiden:
Habt Mitleid mit euren Eltern und Eheleuten!
Erwerbt auch in ihrem Namen diesen Ablass und schenkt ihnen das ewige Heil und die himmlische Glückseligkeit, denn:
Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt!“
Was denkst du?
So ein Ablass ist doch ein tolles Angebot, oder?
Man sieht es diesem Bild nicht an, aber es stammt von der Probe. Eine Schauspielerin war nicht da und jemand anderes ist als Ersatz eingesprungen …
Die Leute aus Wittenberg sind begeistert:
„Wir können uns von all unseren Sünden freikaufen!“ ruft Teresa.
„Ich kaufe einen für meinen verstorbenen Mann, mein Kind und mich,“ sagt Barbara.
„Ein Ablass ist eine Eintrittskarte in den Himmel, nicht wahr, Mama?“ fragt Ulrich.
„Ganz recht, mein Kind, und jetzt sei still!“
Während Bruder Hieronymus die Ablässe verkauft, spricht Tetzel die Kellnerin persönlich an:
„Und Ihr, gute Frau, wollt nicht auch Ihr Eure Seele vor dem Feuer der Hölle bewahren? So ein Ablass ist wie eine Lebensversicherung, nur für das ewige Leben!“
Die Kellnerin zögert, dann meint sie: „Nun, schaden kann es ja nicht …“
„Gibt es für Mönche keinen Preisnachlass?“ fragt Leonhard und Maximilian ergänzt: „Wir Mönche sündigen doch nicht so viel.“
„Da kann ich nichts machen,“ antwortet Tetzel. „Ich habe Anweisungen von oben.“
„Dann müssen wir wohl tief in die Tasche greifen,“meint Leonhard und Maximilian sagt: „Immerhin haben wir das Bier umsonst bekommen.“
Zurück in Wittenberg (Sommer 1517, am Abend desselben Tages)
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Was ist denn da los?
Leonhard und Maximilian streiten sich!
Todmüde sind sie spätabends in Wittenberg angekommen.
Ein Wort hat das andere gegeben und jetzt raufen sie miteinander, direkt vor der Pforte des Klosters.
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Martin Luther geht dazwischen und trennt die Beiden:
„Auseinander, ihr Raufbolde!“ ruft er. „Schämt ihr euch nicht? Wer hat angefangen?“
„Er!“ rufen Maximilian und Leonhard gleichzeitig.
Luther seufzt:
„Keiner will es gewesen sein, das ist ja mal was ganz Neues.
Jetzt sagt, dass es euch Leid tut, entschuldigt euch und versprecht, dass ihr in Zukunft friedlich sein wollt.“
Weder Maximilian noch Leonhard tun, was Martin Luther von ihnen verlangt.
Kannst du dir denken, was die Beiden als nächstes tun werden?
Die kommen geradewegs aus Jüterbog …
„Ich muss mich nicht entschuldigen und bei der nächsten Gelegenheit schlag ich ihn zusammen, denn ich habe einen vollkommenen Ablass,“ sagt Leonhard und zieht seinen Ablass aus der Tasche.
„Ich auch!“ sagt Maximilian und zeigt Luther seinen Ablass.
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
„Um Himmels willen, was bildet sich dieser Johannes Tetzel eigentlich ein?
Was für einen bodenlosen Blödsinn hat euch dieser Schwindler denn erzählt?
Glaubt ihr beiden Esel wirklich, dass man sich Eintrittskarten in den Himmel kaufen kann?
Für diesen Fetzen Papier seid ihr bis nach Jüterbog gelaufen?“ poltert Luther los und zerreißt die Ablässe in kleine Fetzen.
Jetzt ist Martin Luther richtig wütend:
„Ja, Gott vergibt euch eure Sünden tausendmal am Tag, er schenkt euch den Himmel, weil Jesus für euch Holzköpfe am Kreuz gestorben ist und nicht wegen der zwei Silbermünzen, die ihr diesem Betrüger gezahlt habt und jetzt tut, was ich euch gesagt habe, zum Donnerwetter noch einmal!“
„Tut mir leid, Bruder Maximilian,“ sagt Leonhard und Maximilian antwortet:
„Kommt nicht wieder vor, Bruder Leonhard.“ Sie geben sich die Hand.
„Gott vergibt euch eure Sünden durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus. Der Friede sei mit euch,“ sagt Luther. Dann schimpft er noch einmal los:
„Aber dieser Johannes Tetzel kann was erleben, der Ablasshandel muss ein Ende haben!“
Hast du auch den Kopf geschüttelt und dich gefragt, wie man nur so dumm sein kann, Geld für einen Ablass auszugeben?
Oder hättest du auch einen gekauft, so wie die Kellnerin und alle anderen in Jüterbog?
Woher kommt eigentlich die Idee mit den Ablässen?
Gott vergibt doch den Menschen ihre Sünden, nicht wahr?
Stell dir vor, ein Mann hat eine goldene Uhr geklaut.
Stehlen ist nicht in Ordnung, deshalb geht dieser Mann zur Beichte und bekennt, dass er die Uhr gestohlen hat.
Die Sünde wird ihm von Gott vergeben und alles ist gut.
Wirklich?
Irgendetwas stimmt nicht … richtig!
Er kann die Uhr nicht einfach behalten, er muss sie zurückgeben.
Das nennt man Wiedergutmachung.
Für den Uhrendieb ist es recht einfach, die Sache wieder in Ordnung zu bringen, aber wie ist es, wenn man jemanden umgebracht hat?
Ein krasses Beispiel, zugegeben, aber es ist sofort klar: Uhren kann man zurückgeben, Leben nicht.
Wie kann man das wieder in Ordnung bringen?
Wie kann man das wieder gut machen?
Fotoquelle: Pixabay
In früheren Zeiten bestand dann die Strafe darin, dass man für eine gewisse Zeit aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen wurde und nicht zur Kommunion gehen durfte.
Diese Strafe nennt man Ex-Kommunikation.
Die berühmte Wallfahrtskirche Santiago di Compostella. Noch heute gehen Menschen wochenlang den Jakobsweg, der durch Frankreich bis nach Spanien führt, wo dieser Ort liegt. Aber im Gegensatz zu den Menschen im Mittelalter machen sie das, um „einfach mal weg zu sein“ und nicht, um ihre Sünden wieder gut zu machen; Fotoquelle: Pixabay
Jahrelang aus der Kirche ausgeschlossen zu sein, das war damals sehr unangenehm.
(Stell dir einfach vor, du dürftest vier Wochen nicht zur Schule gehen, weil du etwas angestellt hast.)
Deshalb gab es irgendwann die Regel:
Wenn man eine Wallfahrt zu einem heiligen Ort macht, dann kann man damit die Zeit verkürzen, die man aus der Kirche ausgeschlossen ist.
Viele Menschen nutzten diese Möglichkeit, aber wieder war es doch nicht so gerecht, wie man im ersten Moment gedacht hatte:
Was ist mit Leuten, die zu schwach sind um so eine lange Wallfahrt zu überstehen?
Deshalb gab es nun eine neue Regel:
Wenn man Geld hatte, dann durfte man einen anderen Menschen bezahlen, der die Wallfahrt für einen selbst übernahm.
Und damit war die Idee geboren, dass man ja, um seine Sünden wieder gut zu machen, einfach etwas Gutes tun konnte:
Ein Krankenhaus stiften, für die Renovierung einer Kirche bezahlen, eine Kirche bauen oder ein Kloster gründen.
Ein handgeschriebener Ablassbrief; Fotoquelle: wikipedia commons
Damit das Geld besser und gerechter verteilt werden konnte und in wirklich wichtige Projekte floss, entwickelte sich der Ablassbrief.
Man kaufte, um seine Sünden wieder gut zu machen, einen Ablassbrief.
Das Geld für den Ablass bekam der Papst, der dafür sorgen sollte, dass es an die richtigen Stellen kam.
Links siehst du den Palast des Papstes in Rom, rechts kannst du nur eines der vielen tollen Bilder sehen, mit denen der Palast innen ausgestattet ist. Ab und zu floss da schon mal Geld aus dem Ablasshandel, nicht immer. Unser Papst Franziskus wohnt nicht in diesem Palast, er ist der Erste, der sich weigert, dort zu wohnen. Seit langer Zeit ist ein großer Teil des Palastes sowieso ein Museum.
So viel schönes Geld ist auch für Päpste eine große Versuchung und viele Päpste kamen auf die schlaue Idee, das Geld aus dem Verkauf der Ablassbriefe wäre auch in einem prunkvollen Papstpalast gut angelegt.
Fotoquelle: Pixabay
Als Johannes Gutenberg die Druckerpresse erfand, da nahm die Sache mit den Ablassbriefen erst richtig Fahrt auf.
Jetzt musste man die nämlich nicht mehr mit der Hand schreiben, man konnte sie drucken!
Links siehst du die Peterskirche, rechts Papst Leo X. Er ließ die Peterskirche unter anderem mit Geld aus dem Ablasshandel des Johannes Tetzel finanzieren; Fotoquelle Leo X.: wikipedia commons
Leo X., der Papst zur Zeit Martin Luthers, hatte ein besonderes Bauprojekt, für das er sehr viel Geld brauchte: Die Peterskirche in Rom.
Der Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg schuldete dem Papst sowieso Geld.
(Damals musste man Geld an den Papst zahlen, wenn man Bischof werden wollte, schreckliche Sache, ich weiß).
Der Papst erlaubte dem Erzbischof im Jahr 1517 in seinem Namen Ablassbriefe zu verkaufen um die Schulden zu bezahlen.
Der Erzbischof beauftragte Johannes Tetzel, der ein sehr erfolgreicher Ablasshändler war.
Tetzel hatte die Idee, dass man Ablassbriefe auch für Menschen kaufen konnte, die schon verstorben waren, und, dass man sich damit auch von Sünden frei kaufen könnte, die man erst noch begehen würde.
„Schaden kann es ja nicht!“ sagte die Kellnerin.
Luther aber erkannte:
„Ablässe schaden!
Die Menschen verlassen sich nicht mehr darauf, dass Jesus uns erlöst hat und – es tut ihnen nicht mehr leid, wenn sie etwas angestellt haben!“
Menschen machen immer wieder Fehler.
Vielleicht streiten Maximilian und Leonhard in der nächsten Woche wieder und müssen sich wieder versöhnen.
Aber zur Versöhnung gehört der kurze Moment, in dem man sagt: Es tut mir leid.
Denn Gott vergibt so tausend Mal am Tag.
Fotoquelle: Pixabay
Ablasshandel ist inzwischen in der Kirche verboten, aber die Idee, böse Taten einfach mit guten Taten auszugleichen, die gibt es heute noch.
Ein Beispiel:
Mit dem Flugzeug fliegen ist schlecht fürs Klima, aber man will nicht darauf verzichten.
Also zahlt man einen Betrag, den man sich sogar berechnen lassen kann, an eine Organisation, die sich fürs Klima einsetzt, und alles ist wieder gut.
Unsere Geschichte heute spielt am 31.10.1517, und dieses Datum solltest du dir merken.
Viele Historiker (das sind die Leute, die sich mit der Vergangenheit gut auskennen) sagen, dass an diesem Tag das Mittelalter endete und die Neuzeit begann.
Manche sagen, es wäre schon der 22. 10. 1492 gewesen, der Tag, an dem Kolumbus Amerika „entdeckte“, nur der Vollständigkeit halber.
Da reicht es aber, wenn du dir das Jahr 1492 merkst.
Natürlich wussten die Menschen an dem Tag nicht, dass sie gerade auf dem Sprung vom Mittelalter zur Neuzeit sein würden.
So etwas weiß man immer erst im Nachhinein.
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Das ist die Türe der Schlosskirche von Wittenberg.
Sie dient der Universität dort als „schwarzes Brett“.
Neuigkeiten werden an dieser Türe aufgehängt.
Heute ist ihr großer Tag.
Sie wird in die Weltgeschichte eingehen.
Florian und Sigismund schwänzen gerade eine Vorlesung, natürlich keine von Martin Luther.
Professor Karlstadt, der Chef der Universität, erwischt sie dabei.
Aber kaum ist der vielbeschäftigte Professor Karlstadt wieder weg, schwänzen Florian und Sigismund einfach weiter.
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Und so sehen sie, dass Martin Luther zur Türe der Schlosskirche kommt.
Er hat ein großes Blatt Papier, das eng beschrieben ist, einen Hammer und Nägel dabei.
Er scheint sehr aufgeregt zu sein.
„Ich habe 95 Thesen gegen den Ablasshandel geschrieben und sie heute früh an unseren Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg geschickt. Gewiss wird er dem Ablasshandel des Johannes Tetzel sofort ein Ende setzen,“ sagt Luther.
Thesen, das ist so etwas Ähnliches wie ein Argument.
95 Argumente gegen den Ablasshandel hat Martin Luther gefunden!
Den ganzen Sommer über hat er daran gearbeitet.
Martin Luther will seine 95 Thesen auch an die Türe der Schlosskirche hängen.
Deswegen nimmt er nun den Hammer und die Nägel und hängt damit seine 95 Thesen an der Türe auf.
Martin Luther hat geschrieben:
„Jesus will, dass wir immer wieder Reue zeigen, wenn wir Schlechtes getan haben.
Jedem Christ, dem seine schlechten Taten leid tun, vergibt Gott vollkommen und umsonst, auch ohne Ablassbriefe.
Man muss die Christen lehren: Den Armen zu helfen ist besser als Ablassbriefe zu kaufen.
Der wahre Schatz der Kirche ist die Bibel, die heilige Schrift.“
Den Studenten ruft Luther zu:
„Lest meine 95 Thesen und diskutiert darüber.
Lest die Bibel!
Kein Sterbenswörtchen vom Ablass findet man darin!“
Martin Luther geht.
Die Bürger und Bürgerinnen von Wittenberg und die beiden Studenten versammeln sich sofort neugierig um das Plakat.
„Wir können das nicht lesen, es ist auf Latein geschrieben!“ sagt Teresa.
Die Studenten können es natürlich lesen und übersetzen es gerne:
„Es muss streng verboten werden, die Christen zu lehren, dass man durch Ablassbriefe sicher in den Himmel kommt!
Wenn der Papst die Macht hat, Eintrittskarten in den Himmel zu verteilen – warum verschenkt er sie denn nicht aus Liebe?
Warum verlangt er dafür Geld?
Und warum baut der Papst, der unermesslich reich ist, die Peterskirche nicht von seinem eigenen Geld?“
Leonhard Kappe sagt: „Lest weiter, wir wollen alles hören!“
„Da habt Ihr Recht, guter Mann, Ihr sollt es alle hören und lesen,“ sagt Florian.
„Wir werden diese 95 Thesen ins Deutsche übersetzen und zum Drucker bringen, noch heute Abend.
Schon in den nächsten Tagen werden sie tausendfach gedruckt sein und in ganz Deutschland und Europa verteilt werden.
Wir werden sehen, was der Papst dazu zu sagen hat!“ fügt Sigismund hinzu.
Und so geschah es.
Die Studenten übersetzten die Thesen ins Deutsche und brachten sie zum Drucker.
Schon bald wurden die 95 Thesen in ganz Deutschland gelesen.
Viele Menschen gaben Martin Luther Recht.
Sie hörten auf Ablässe zu kaufen.
Und sie sagten:
Wer ist dieser Martin Luther?
Hat er noch andere Sachen geschrieben?
Diese Ablässe wurden fürs Kibiwe 2016 mit viel Phantasie gefälscht.
Von den Ablässen, die Johannes Tetzel damals verkaufte, gibt es heute keinen einzigen mehr.
Wie wohl der Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg auf Luthers 95 Thesen reagiert hat?
Albrecht entließ tatsächlich Johannes Tetzel, dessen Ablasshandel sowieso zusammengebrochen war und der nur noch peinlich war.
Aber Albrecht sandte die 95 Thesen an Papst Leo X. in Rom.
Der sollte nämlich überprüfen, ob es sich bei dem, was Luther geschrieben hatte, nicht vielleicht um eine falsche Lehre handeln könnte.
Luther selbst bekam von Albrecht keine Antwort.
Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg Fotoquelle: wikipedia commons Beim Kibiwe 2016 gab es einen kurzen Auftritt von ihm, du wirst sehen.
Man wurde damals nicht Bischof, weil man besonders fromm oder gottesfürchtig war.
Man musste auch nicht Theologie studieren oder sich in der Bibel auskennen, um Bischof zu werden.
Man musste einfach nur aus einer adligen Familie sein und Macht und Geld haben.
So war es auch bei Albrecht.
So jemand diskutiert nicht mit einem Mönch, dessen Vater von armen Bauern abstammt.
Die einfachen Leute hörten auf Martin Luther.
Erinnerst du dich an die Kellnerin?
Solche Menschen eben, die spürten, dass in der Kirche damals ganz viel schief lief.
Und auch die anderen wie die Bürger und Bürgerinnen von Wittenberg, wie Leonhard und Maximilian, erkannten:
Luther hat Recht!
Andreas Karlstadt (links) habt Ihr schon kennen gelernt, Philipp Melanchthon kam extra wegen Martin Luther nach Wittenberg. Mit ihm war Martin Luther eng befreundet.
Viele Gelehrte schlossen sich Luther an, unter ihnen auch seine Kollegen an der Universität in Wittenberg.
Sie begannen die Bibel zu lesen und entdeckten darin viele neue Ideen.
Auch die Schwestern im Kloster Nimbschen lesen die Bücher von Martin Luther.
Drei Jahre gingen ins Land.
Luther schrieb weitere Bücher.
Und er schrieb sie auf Deutsch.
Ein Drittel der Bücher, die damals jedes Jahr gedruckt wurden, stammten von Martin Luther.
Sie waren also so etwas wie Bestseller damals.
Luther schrieb, dass nichts zwischen den Menschen und Jesus sein dürfe.
Er schrieb, dass die Menschen in den Himmel kommen, weil Jesus sie erlöst hat, und dass sie sich den Himmel nicht durch gute Taten verdienen müssen.
Und er schrieb, dass die Bibel und nicht der Papst die höchste Autorität für Christen sein solle.
Diese letzte Idee kam natürlich beim Papst gar nicht gut an, das kannst du dir denken.
Leo X.; Fotoquelle: wikipedia commons
Man wurde damals nicht Papst, weil man besonders fromm oder gottesfürchtig war.
Man musste auch nicht Theologie studieren oder sich in der Bibel auskennen, um Papst zu werden.
Man musste einfach nur aus einer adeligen Familie sein und Macht und Geld haben.
So war es auch bei Leo X.
So jemand diskutiert nicht mit einem Mönch, dessen Vater von armen Bauern abstammt.
Martin Luther wurde in Rom der Prozess gemacht und 1520 schickte der Papst einen Brief an Luther in Wittenberg mit dem Urteil:
Wenn Luther nicht alles zurücknehmen würde, was er geschrieben habe, und nicht sagen würde, dass alles falsch sei, was er gelehrt habe, dann würde er exkommuniziert.
Inzwischen war Luther schwer enttäuscht von Bischof Albrecht und auch von Papst Leo X.
Deshalb verbrannte Luther den Brief des Papstes öffentlich und natürlich nahm er nichts zurück von dem, was er gesagt oder geschrieben hatte.
So wurde Martin Luther exkommuniziert, weil der Papst sagte, dass er falsche Lehren verbreiten würde.
Fotoquelle: Pixabay
Erinnere dich:
Ex-kommuniziert bedeutet, dass man aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen ist.
Bei Martin Luther war das aber richtig schlimm, denn der Papst machte es öffentlich und ganz offiziell.
Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen Fotoquelle: wikipedia commons. Auch er hatte beim Kibiwe 2016 einen kurzen Auftritt.
Papst Leo X. wollte, dass Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, der Landesherr von Luther, Martin Luther nach Rom schicken solle.
Darauf, dass jemand falsche Lehren verbreitete, darauf stand nämlich damals der Tod.
Aber Friedrich der Weise von Sachsen ließ sich vom Papst in Rom nichts sagen.
Er schickte Martin Luther nicht nach Rom.
Er beschützte ihn.
Damit war es aber, das ist für uns heute fremd, nicht getan.
Die Kurfürsten in Deutschland hatten gerade einen neuen Kaiser von Deutschland gewählt:
Kaiser Karl V.
Der neue Kaiser wollte das Recht in seinem Reich durchsetzen:
Wer so wie Luther öffentlich wegen falscher Lehren exkommuniziert wurde, dem drohte auch vor dem Gericht des Kaisers der Tod.
Deshalb befahl er, dass Luther zu ihm gebracht werden müsse, und daran musste sich auch Friedrich der Weise halten.
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern (Fotoquelle Pixabay), und Olaf Scholz, Bundeskanzler von ganz Deutschland (Fotoquelle: wikipedia commons)
Damals gab es in Deutschland keine Bundesländer, sondern viele verschiedene Fürstentümer oder Herzogtümer, über die ein Fürst oder Herzog regierte.
Und dann gab es den Kaiser, der über ganz Deutschland regierte.
Heute gibt es die 16 Bundesländer, deren Chefs Ministerpräsidenten oder Ministerpräsidentinnen sind, und für ganz Deutschland der Bundeskanzler.
Du hast vermutlich schon gemerkt, dass die ganze Sache mit Martin Luther ziemlich politisch geworden ist.
Also dann, reden wir über Politik.
Fotoquelle: Pixabay
Das ist das Reichstagsgebäude in Berlin.
Hier kommen die Abgeordneten des deutschen Bundestages zusammen und hier werden die wichtigen Entscheidungen für Deutschland gefällt.
Das Gebäude ist ungefähr 130 Jahre alt.
Davor konnte so ein Reichstag überall in Deutschland stattfinden.
Der Kaiser lud die Fürsten zu einem Reichstag ein und bestimmte eine Stadt, in der der Reichstag stattfinden sollte.
Eine richtige Hauptstadt gab es nicht, auch nicht zur Zeit Martin Luthers, und natürlich auch noch keine Demokratie.
Im Jahre 1521 lädt der Kaiser seine Fürsten in die Stadt Worms zum Reichstag ein.
Es gibt Wichtiges zu besprechen.
Uns interessiert aber nur ein einzige Sache von diesem Reichstag zu Worms: Die Verhandlung über Martin Luther.
Der Kaiser hat ihn nach Worms zum Reichstag zitiert und so ist Martin Luther nach Worms gegangen.
Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, Kaiser Karl V., der Herold, Markgraf Joachim von Brandenburg, Erzbischof Richard von Trier, Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg Natürlich waren hunderte von Fürsten auf diesem Reichstag, aber dafür ist unsere Bühne zu klein. Stellt sie euch einfach vor.
Da sind ja die Fürsten und der Kaiser selbst!
Zwei Dinge fallen auf:
Ganz links sitzen zwei Bischöfe.
Damals hatten Bischöfe auch politische Aufgaben.
Und natürlich ist unser alter Bekannter dabei, Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg.
Aber auch Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen ist da.
Dann fällt auf, dass der Kaiser der Jüngste auf dem Reichstag ist.
Kaiser Karl V. war erst 21 Jahre alt, als ihn die Fürsten zum Kaiser von Deutschland gewählt haben.
Sie haben ihn gewählt, weil seine Familie schon seit Jahrhunderten den deutschen Kaiser stellt.
Kaiser Karl V. spricht kein Deutsch.
Sein ganzes Leben hat er bisher in Spanien verbracht.
Dort ist er übrigens auch König.
Er hat auch Gebiete in Südamerika, über die er herrscht.
„In meinem Reich geht die Sonne nie unter!“ sagt Karl V.
Er sagt das natürlich auf Spanisch.
Und jetzt ist er das erste Mal in Deutschland.
Er will diese Sache mit Martin Luther schnell und einfach in Ordnung bringen und dann möglichst bald wieder nach Spanien zurückkehren.
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Auch Kaiser Karl V. stammt logischerweise aus einer adligen Familie mit Macht und Geld.
So jemand diskutiert nicht mit einem Mönch, dessen Vater von armen Bauern abstammt.
Deshalb fordert auch der Kaiser Martin Luther nur auf, alles zu widerrufen und zurückzunehmen, was er geschrieben und gelehrt hat.
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Martin Luther antwortet:
„So lange ich nicht durch die Bibel oder durch vernünftige Argumente widerlegt werden kann, ist mein Gewissen nur Gottes Wort verpflichtet.
Ich kann nicht widerrufen.
Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
Gott helfe mir.“
Kurze Zwischenfrage:
Wer kannte sich damals am Besten in der Bibel aus?
Der Bischof?
Der Kaiser?
Der Papst?
Keiner von ihnen.
Im Jahr 1521 kannte sich niemand in der Bibel besser aus als Martin Luther.
Niemand war in der Lage, ihn durch die Bibel zu widerlegen, weil niemand beim Thema Bibel so fit war wie er.
Man konnte beim Diskutieren gegen ihn also nur verlieren, weil man gar keine Argumente aus der Bibel hatte.
Kennst du das auch, dass dir die Argumente fehlen?
Was machst du dann?
Nachgeben?
Ehrlich?
Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Der Kaiser verurteilt Martin Luther zum Tod.
Aber er lässt das Urteil nicht vollstrecken.
Er hat nämlich Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen etwas versprochen:
Martin Luther dürfe nichts geschehen, so lange er in Worms sei und so lange, bis Luther wieder ins Kurfürstentum Sachsen zurückgekehrt sei.
Und der Kaiser hält Wort.
Aber der Kaiser sagt:
„In wenigen Wochen werde ich die Reichsacht über Euch verhängen, Martin Luther.
Dann darf Euch jeder Mensch in meinem Reich umbringen und Euer Leben wird nichts mehr wert sein.“
Bei unserem Kibiwe haben Maximilian und Leonhard Martin Luther nach Worms und zurück begleitet; Screenshot aus dem Video von Harald Renz
Martin Luther verlässt Worms als freier Mann und macht sich auf den Heimweg nach Wittenberg.
Wenige Wochen später ist er wieder im Kurfürstentum Sachsen angekommen.
Nahe der Burg Altenstein werden sie von Soldaten überfallen.
„Wer von euch ist Martin Luther?“ ruft einer der Soldaten.
Leonhard schreit: „ Es sind Soldaten des Kaisers. Sie wollen Bruder Martin töten!“
„Der hier ist es,“ ruft einer der Soldaten und packt Martin Luther. „Ich kenne ihn. Haben wir dich, du Irrlehrer, dein letztes Stündlein hat geschlagen.“
Die Soldaten nehmen Martin Luther mit.
Leonhard und Maximilian lassen sie laufen.
Die Beiden machen sich schnell auf den Weg nach Wittenberg mit der Nachricht:
„Martin Luther ist von Soldaten des Kaisers entführt und getötet worden!“
Martin Luther ist nicht von Soldaten des Kaisers entführt worden.
Aber von welchen Soldaten dann?
Das gibt‘s doch nicht – Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen hat Martin Luther entführen lassen!
Aber warum?
Ganz einfach.
Mit was für einer Botschaft sind Maximilian und Leonhard nach Wittenberg geeilt?
„Martin Luther ist von Soldaten des Kaisers entführt und getötet worden!“
Und das ist Absicht.
Ganz Deutschland glaubt jetzt, dass Martin Luther tot sei.
Und wer tot ist, den will niemand mehr umbringen.
Kurfürst Friedrich hat Martin Luther in Sicherheit gebracht.
Das ist ziemlich schlau, nicht wahr?
Er heißt ja nicht umsonst „Friedrich der Weise“.
Die Wartburg; Fotoquelle: wikipedia commons
„Willkommen auf der Wartburg!“ sagen die Soldaten.
Dort, auf der Wartburg, wird Martin Luther versteckt.
Die ersten Wochen muss er in „social distancing“ verbringen und sich die Haare länger wachsen lassen und zusätzlich einen Bart.
Niemand, auch nicht die Knechte und Mägde auf der Wartburg, soll ihn erkennen.
Dann darf er sich in der Wartburg frei bewegen.
Er hat sogar einen Decknamen: Junker Jörg.
In diesem Raum lebte Martin Luther auf der Wartburg. Über dem Schreibtisch hängt heute ein Bild, dass ihn als Junker Jörg mit Bart zeigt; Fotoquelle: wikipedia commons
Trotzdem ist Martin Luther langweilig, er wird depressiv.
Er vermisst seine Freunde in Wittenberg.
Zum Glück darf er ihnen schreiben.
So erfahren sie, dass er noch lebt.
Nur wo er sich aufhält, dass darf er nicht verraten.
Der Anfang des Markusevangeliums in der Übersetzung nach Martin Luther. So sprach und schrieb man damals Deutsch; Fotoquelle: wikipedia commons
Philipp Melanchthon gibt ihm den Rat, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen.
Luther macht sich ans Werk.
In 11 Wochen übersetzt er das ganze NT in die deutsche Sprache.
Und er macht das richtig gut.
„Nicht nur gebildete Menschen sollen die Bibel verstehen, auch einfache Leute!“
Und das gelingt ihm.
Endlich können alle Menschen in ihrer Muttersprache verstehen, was Jesus ihnen zu sagen hat.